Tomi Ungerer zum 93. Geburtstag (28.11.1931 – 9.2.2019)
Das Werk Tomi Ungerers richtig kennengelernt hat der Alte durch die Ausstellung seiner Werke inklusive seiner Kinderbücher im Pariser Musée des Arts Décoratifs, die vom 29.4.1981 bis zum 27.7. 1981 stattfand und mit einer Zeichnung eines riesigen Elefanten beworben wurde.
Seit dieser Ausstellung hat der Alte Ungerers Werk, seine Bücher und Zeichnungen im Unterricht genutzt, sei es als Klassenlektüre (z. B. ´Kein Kuß für Mutter´), sei es als Schreibanlässe ausgehend von Texten und/oder Illustrationen aus verschiedenen Büchern, sei es gar einfach als lesenswerte Aphorismen und Fingerzeige auf gesellschaftliche Problematiken, die es lohnt, gemeinsam mit den Kindern zu besprechen.
Beeindruckt hat den Alten zum Beispiel Ungerers einfachste Sicht auf Inklusion: Der blinde Herr Himpel und seine lahme Frau sind glücklich, weil sie einander haben.
Ich will beispielhaft für den Einsatz von Ungerer-Materialien einen Text aus des Alten zweiten Schuljahres von 1988 anfügen, den Marc Wilgé damals mit dem Computer im Schreibatelier verfasst hat.
Titel in Anlehnung an´Kein Kuß für Mutter´:
Meine Mutter tut alles für mich.
Meine Mutter geht für mich aufs Klo.
Meine Mutter zieht mich jeden Tag neu an.
Meine Mutter geht für mich in die Schule.
Meine Mutter repariert mein ganzes Fahrrad.
Meine Mutter macht das ganze Diktat für mich.
Aber eines Tages war die Mutter zu müde, um alles für das Herzblättchen zu machen.
Da war ich aber sehr traurig.
Ich war mit meiner Mutter zum Arzt gegangen.
Der Arzt hatte gesagt: “Es fehlt ihr nichts.”
Ich schüttelte den Kopf.
Den Kopf geschüttelt hat auch der Alte, als er beim Herumwandern im Zwischensaal (mit den Computern) und bei einem schnellen Blick auf den wachsenden Text nach typischer Art eines gewieften Schulmeisters die ersten fünf Seriensätze auf dem kleinen Schirm erhaschte.
Sogleich wurde Marc Wilgé von dem Alten unliebsam angeherrscht, doch bitte keine sich wiederholenden banalen Seriensätze zu verfassen, sondern, wie von ihm gewohnt, spannender zu Werke zu gehen.
Dies rief den Widerspruch des jungen Autors hervor:
“Verstehst Du das denn nicht? Ich will mit diesen sich wiederholenden Satzanfängen ja nur zeigen, daß meine Mutter immer wieder dasselbe tun muß und deshalb schließlich krank werden muß.”
Kleine Stilkunde also für den Alten, der sich zufrieden ob der Stilsicherheit des kindlichen Autors zurück in den anstoßenden Klassensaal trollte.
Werden die Kinder zu Autoren ihres Lernens, sollten wir auf solche Überraschungen gefasst sein, welche den Lernprozess so spannend und auch für uns Alte immer noch interessant machen.
0 Kommentare