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F.C. Delius zum Geburtstag (13.2.1943 – 30.5.2022)

von Taccuino Del Vecchio | 13/02/2025 | Die Notizen des Alten | 0 Kommentare

Der Alte schätzt die deliussche Prosa sehr und konnte dies dem Autor auch persönlich auf der Leipziger Buchmesse zum Ausdruck bringen.

Delius hatte gerade auf dem blauen Sofa auf bohrende Fragen nach seinen Erfahrungen als Mitglied der 68er-Generation hin verkündet, ihm liege eigentlich nur etwas am ´ordentlichen Schreiben´, so dass der Alte ihm gerade dafür, also für seinen präzisen und fluiden Schreibstil danken konnte.

Natürlich hatte der Verlag nicht dafür gesorgt, dass Bücher von Friedrich C. Delius zur Signatur und überhaupt vorhanden waren, was der Autor leicht gequält mit Achselzucken zur Kenntnis nahm.
So stand er da nach seinem Interview auf dem blauen Sofa, einsam und verlassen, und nur eine Handvoll Ex-DDR Leser hatten vorsorglich ihre eigenen Bücher mitgebracht.

Mehr über den Autor kann man auf der Webseite: https://www.fcdelius.de/ erfahren.

Der Alte liebt ein Buch von Delius besonders:
Bildnis der Mutter als junge Frau (2006) Berlin, Rowohlt.

In (2007) Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch. beschreibt Delius einfühlsam und ordentlich sein Zuhause im väterlichen Pfarrhaus und seine Flucht daraus unter gütiger Mithilfe einer Kakaopackung (Kaba):

«Das Brot war heilig, auf jedem Laib, obwohl im Dorfbackhaus gebacken, lag der Segen des Heilands, auf jeder Scheibe, als sei sie nicht durch die Brotmaschine gekurbelt, sondern von Jesus persönlich gebrochen worden, der Widerschein eines Wunders. Das tägliche Brot, um das wir täglich beteten, es kam tatsächlich täglich auf den Tisch. (…) Wir verloren kein Wort über all das, weil es nicht mehr gesagt zu werden brauchte und weil wir gefüttert waren mit Geschichten aus dem vergangenen Krieg, wie oft da ein Stück Brot und allein das Brot und immer die letzte Hoffnung, die Rettung ein trockener Kanten. Das Brot machte satt und zerstörte etwas, das Brot fraß am Herzen, fraß an der Zunge, das Brot drückte etwas nieder in mir, das Brot trennte uns und hielt uns zusammen.
Auf der Kabapackung aber blühten die Palmen, leuchtete gelb die Wüste, ich fand es erleichternd, daß der Kakao zu Jesuszeiten unbekannt war und in keinem Gebet genannt wurde, also ohne verdrückte Andacht getrunken werden konnte, ich sehnte mich fort zu den Plantagen, träumte von einer Mahlzeit mit lauter Lebensmitteln, die nicht von Gottes Gnade vergiftet waren, und nahm die dritte Scheibe.» (S. 21, 22, 23)

Die Kabapackung fungiert für den kleinen Delius als Sprungbrett und Rettung in die Welt der Phantasie und des Erzählens und folgerichtig in die Sphären des Schreibens. Die Lebenswelt des Kindes erfährt dadurch eine gewisse Ordnung. Die komplexen Lebenserfahrungen in der Familie können geordnet und sinnvoll eingeordnet werden.

In (2016) Die Liebesgeschichtenerzählerin. Berlin, Rowohlt. erläutert Delius die ordnende Funktion des Erzählens und des Schreibens, dabei stets gewiss, dass der Ordnung Phasen der Unsicherheit und des Begehrens vorausgehen:

«(…) gerade das Undefinierte, die Neugier, die Fragen drängen sie zum Erzählen (…).
(…) Schreiben ist ordnen! (…)
Das alles musste geordnet, gesichert, gerafft oder ausgebreitet, in Zeilen gebracht werden (…). (…) obwohl kein Leben geordnet, jede Biographie eine Konstruktion ist und kein Lebenslauf in eine gerade Reihe zu bringen oder nur dann, wenn man das Schwierige, das Intime, die Umwege, die Ausflüchte, das Kreiseln, die Verzweiflungen und geheimeren Nöte weglässt oder verkürzt.» (S. 44, 85, 86)

In einer heutigen Welt, in der wir zunehmend aufgefordert werden die Guten von den Bösen klar zu trennen, Informationen entweder und ausschließlich als richtig oder falsch einzuorden, uns pro oder contra zu hehren Ideen zu verhalten, argumentiert Friedrich Christian Delius in (2012) Als die Bücher noch geholfen haben. Berlin, Rowohlt. gänzlich anders:

«Im Widerstand gegen diesen Fundamentalismus des Entweder-Oder, in der Spannung zwischen Ja und Nein, in den Nuancen zwischen Gut und Böse liegt der Reichtum des Subjektiven, des Menschlichen, liegen die Chancen der Kunst, der Literatur. Den vieldimensionalen Raum zwischen der Scheinalternative von Null und Eins mit Leben zu füllen, sich breit zu machen zwischen Up und Down und Top und Flop, das gelingt den Sprachen der Kunst, gestützt auf heitere Kompromisslosigkeit und die Produktivkräfte Chaos und Eros.» (S. 296)

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