Bohumil Hrabal, dem großen Bafler, zum Todestag (28.3.1914 – 3.2.1997)

Bohumil Hrabal (l) neben Linguist Ladislav Matejka im 'Goldenen Tiger' in Prag. Sueddeutsche Zeitung Photo / Alamy Stock Photo
Gleich vorweg Bohumil Hrabals schönster Satz zum Schreiben:
«Das Schönste am Schreiben ist, daß niemand einen dazu zwingt.»
(1998) Wer ich bin. Frankfurt am Main, Suhrkamp. S. 65
Das sollten wir Lehrpersonen uns auf der Zunge zergehen lassen und entsprechend didaktische Konsequenzen im Schulalltag ziehen. Ein Tipp von Hrabal:
«L’important est de trouver la paix intérieure et d’avoir le désir et des raisons d’écrire.» SALMON, C. (1991) A bâtons rompus avec Bohumil Hrabal – Entretiens. Paris, Criterion.
p. 17
Hrabal wird noch präziser:
«La rencontre artistique la plus importante pour moi a eu lieu à New York, lorsque j’ai découvert Jackson Pollock. Sa façon de peindre directement, sa méthode du dripping sans intervention personnelle m’ont fasciné. Moi qui corrigeais toujours énormément, quel que soit mon mode d’expression, j’ai essayé d’appliquer sa méthode à ma propre création: je me suis concentré sur moi-même et sur mes thèmes et j’ai écrit d’un jet. (…) Et lorsque j’ai terminé, que je sais qu’il n’y a rien de plus à faire, je recommence à aller dans les cafés.» p. 32, 34
Warnung Hrabals an alle Lehrpersonen:
«Vous pouvez connaître tous les dictionnaires et toutes les grammaires de votre langue, vous n’aurez qu’une connaissance partielle de la vie du langage.» (p. 35)
Der Alte hat die Heimatstadt Hrabals, Prag, mehrmals in den düsteren Spätachtzigerjahren vor der Wende besucht. Eine Stadt wie im Winterschlaf, Wenzelsplatz, kleine Seite, Jan Hus Denkmal und Hradschin waren wie mit einer dicken Rußschicht überzogen, wenigstens hat der Alte es so in Erinnerung.
Doch Zuflucht und Wiederbelebung fand der Alte, auf Anraten des Malers und Grafikers Ota Nalezinek, hinter den dicken Samtvorhängen einer traditionsreichen tschechischen Bierstube: U zlatéhu Tygra – Der goldene Tiger, in der auch Bohumil Hrabal sich wohlfühlte.
«A l’origine, il y a donc la brasserie, et la conséquence en est la bière; c’est mon mode de vie quotidien, au milieu de conversations parfois confuses, mais qui me font un bien immense car j’apprends sans cesse auprès des gens comment on peut travailler sur la langue. Quand on boit de la bière, on voit la langue fleurir, on invente de nouvelles anecdotes, de nouveaux argots, de nouvelles expressions techniques. Au café j’enregistre les belles choses que les gens ordinaires parviennent à exprimer dans la conversation.» (p. 15, 16)
Hrabal schreibt über diese Kneipenkultur:
«Die Kneipe ist eine Bethlehemskapelle, wo jeder Gast im Gespräch zu dem wird, was er einmal war oder sein möchte, die Kneipe ist jene laute und lärmige Einsamkeit, in der es sich am besten träumen läßt. »
Susanne Roth (Hg.) (1989) Hommage an Hrabal. Frankfurt am Main, Suhrkamp. S. 267
Für diese Schwätzer, töricht und unvernünftig, doch zart und sensibel, manchmal wild und ungestüm, hat Bohumil Hrabal ein Wort geschaffen: Bafler.
Im Bierdunst bafeln die Gäste im Tiger vor sich hin, suchen Kontakt im assoziativen, unbändigen Sprechen, miteinander und an einander vorbei. Sie sind im Bafeln auf der Suche nach ihrem eigentlichen Glück.
Vielleicht sollte das entspannte Bafeln in den neuen Lehrplan aufgenommen werden, so wünscht es sich zumindest der auch gern bafelnde Alte.
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