Joseph Brodsky zum Todestag (24.5.1940 – 28.1.1996)
Ein imaginärer Dialog mit Elias Canetti über die Elastizität der Sprachen im multilingualen Kontext
Der Nobelpreisträger Joseph Brodsky ist der Lieferant für die Beschreibung des Inhalts des Blogs der Jean-Jaurès Schule:
„Ein Kind ist zuallererst immer Ästhet: Es reagiert auf Aussehen, auf Oberflächen, auf Gestalten und Formen.“
Einen wichtigen Aspekt fügt Brodsky noch hinzu – insbesondere für alles, was mit Sprachenlernen, aber auch mit Sprachelehren, zu tun hat:
„(…) Wir, (…), wurden aufgezogen – oder vielmehr zogen uns selbst auf – im Glauben an die Komplexität der Welt, die Bedeutsamkeit der Nuance, der Untertöne, der Grauzonen, der psychologischen Aspekte von diesem und jenem.“
(1986) Erinnerungen an Petersburg. München, Carl Hanser Verlag. S. 95, 119
Die Kinder der Jean-Jaurès Schule offenbaren genau solche partikularen Timbres in ihren ästhetischen und sprachlichen Gestaltungen.
Ein anderer Nobelpreisträger, Elias Canetti (25.7.1905 – 14.8.1994), erhellt die Aussagen Brodskys so:
„Im Stammeln ist man dem Ursprung der Sprache näher.“
Als Warnung vor einem Übermaß an formaler Grammatik als einzige Grundlage des Erlernens von Sprachen kommen dem Alten die folgenden Worte Canettis vor:
„Ganz besonders nimm dich in acht vor jeder Philosophie, die das Leben auf ein einziges Prinzip zurückzuführen versucht. Immer handelt es sich dabei um eine Reduktion des Lebens; um seine Verarmung und Mechanisierung; (…).“
Die ästhetischen und sprachlichen Produktionen unserer Kinder zeugen von ureigener Elastizität im Denken und Gestalten, besonders im simultanen Gebrauch sämtlicher sprachlicher Mittel im typisch multilingualen luxemburgischen Kontext.
Canetti beschreibt eine solche Situation mit den wunderschönen Worten:
„Eine Sprache macht die andere elastisch.“
(2005) Aufzeichnungen für Marie-Louise. München, Hanser. S.17, 29, 47
Der Alte denkt, dass diese elastischen Sprachen Luxemburgs unvergleichliches, sprachliches und kulturelles Kapital ausmachen, aus dem unsere Kinder beim Sprachenlernen schöpfen und erschaffen können.
Also, nur nicht verhärten, wie es heute in der Welt an der Tagesordnung zu sein scheint, sondern elastisch sich neuem Wissen und provisorischen Gewissheiten nähern, wie die Kinder es noch tun, wenn wir ihnen in der Schule erlauben, ihre ureigene Betroffenheit persönlich in ihren Werken auszudrücken.
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