Jurek Becker zum Todestag (30.9.1937 – 14.3.1997)
Von Jurek Beckert hat der Alte Jakob, der Lügner gelesen und geschätzt.
Dann erinnert der Alte sich noch an alte Tatort-Filme mit Manfred Krug, zu denen Jurek Becker die Drehbücher geschrieben hat.
Die Freundschaft zwischen Krug und Becker – beide frühe DDR-Flüchtlinge – findet sich bestätigt in bestaunenswerten Büchern mit Postkarten wie Am Strand von Bochum ist allerhand los (2018) von Christine Becker oder Jurek Beckers Neuigkeiten an Manfred Krug & Otti (1999) von Manfred Krug.
Die tiefgehenden Gedanken Jurek Beckers über Lehramt, Lehrverordnungen und Lehrerpersönlichkeiten finden sich – beim Genuß eines guten Weines – im folgenden Auszug:
“Im neuen Jahr wollte er den Kindern unbedingt beibringen, wie wichtig es ist, sich beunruhigen lassen zu können.
(…) Obenan auf seiner Wunschliste stand: die Lehrpläne müßten so verändert werden, daß sie den Lehrern Spielraum ließen.
Er war begierig, endlich seinen eigenen Vorstellungen nachzugehen und nicht immer nur Vollstrecker der Absichten anderer zu sein, die sich von seinen, auch wenn sie ihnen ähnlich waren, in wichtigen Punkten unterschieden.
Er meinte, erst in dem ersehnten Spielraum werde die Persönlichkeit eines Lehrers sichtbar, das, was ihn von allen anderen unterscheide. Und erst dadurch entstehe das Klima, in dem die Kinder zu eigenwilligen Wesen heranwachsen konnten und nicht dazu verurteilt waren, einander zu ähneln wie ihre Lehrer.
Doch er sah keine Chance Verbündete zu gewinnen, nicht einmal interessierte Gesprächspartner. (…)
Er glaubte zu durchschauen, daß die Lehrpläne nicht etwa deshalb so vollgestopft waren, weil die Verantwortlichen alles für unentbehrlich hielten.
Er dachte: Der Ballast in den Plänen ist absichtlich dort und genau kalkuliert. Er soll genau das verhindern, was mir so wichtig wäre: daß Lehrer Zeit finden, Kinder auch nach ihren eigenen Vorstellungen zu unterrichten und zu erziehen.
Von einem Glas zum anderen wuchs ihm der Verdacht, seiner Lehrerpersönlichkeit werde ganz schön mißtraut; sie werde als unberechenbares Risiko angesehen, und darum habe man Umstände geschaffen, die sie nicht zur Entfaltung kommen ließen.”
(1978) Schalflose Tage. Frankfurt am Main, Suhrkamp. S. 86, 134, 135
Jurek Becker ist leider viel zu früh von uns gegangen.
Wir hätten seiner noch bedurft.
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