Ossip Emiljewitsch Mandelstam zum 86. Todestag (14.1.1891 – 27.12.1938)
Die Gedichte Mandelstams lernte der Alte durch Wygotskis Texte zu ästhetischen Aspekten der Sprache, des Bewusstseins und der Kognition kennen.
Großen Eindruck auf den Alten hat folgende Zeile Mandelstams, die er nicht mehr aus seinen Gedanken verdrängen kann:
«It is a whisper before it meets the lips.» Octaves
Due deutsche Übersetzung hält nicht gerade mit:
«Vielleicht geboren ist das Flüstern vor den Lippen.» Ossip Mandelstam
1987, Hufeisenfinder, S. 121, Leipzig: Reclam
Für den Alten zeugt Mandelstams Zeile von der Zögerlichkeit, dem Zweifel, dem hinter der Stirn sich Bildenden, dem Hineinhorchenden, dem Fragenden – also Empfindungen, die er auf und hinter den Gesichtern der Kinder lesen konnte, wenn sie um den geeigneten sprachlichen Ausdruck kämpften und sich bis zum Flüstern durchrangen.
Andrej Bitow hat das natürlich viel besser als der Alte zum Ausdruck gebracht (geflüstert?):
«(…) wenn ein Wort vergessen ist oder noch gar nicht da, gibt es aber schon
eine stumme Empfindung, ein Stocken, einen Anhaltspunkt für den Blick: das
noch Unbenannte ist – erstaunlich.»
2007, Das Puschkinhaus. Frankfurt am Main, Suhrkamp. S. 39
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