Wilhelm Genazinos Vorschlag für den neuen ´Plan d´études´
Wie versprochen liefert der Alte nach!
Wilhelm Genazino wünscht sich etwas in seinem wunderbaren Buch von 2023, Der Traum des Beobachters. München, Hanser.:
«Manchmal wünsche ich mir eine Schule mit einem ganz neuen Lehrplan. Die Unterrichtsfächer lauten: Würde, Scham, Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit. Oder: Reflektieren, Offenheit, Interesse. (…) Neue Fächer für einen neuen Stundenplan: Nachdenklichkeit, Aufmerksamkeit, Enttäuschungskunde. (…) Schulfach Enttäuschungslehre und -praxis; und: Verliebtsein.» (S. 177, 184, 193)
Revolutionär klingen seine Worte, wenn er anmahnt, dass sich mit diesem Lehrplan Verstehensentwürfe aufbauen lassen. So konstituieren sich private Bildungssysteme, die schwer messbar und kontrollierbar sind (S. 71).
Genazino bewundert Jean Pauls Formulierung: „Wo der Mensch sich anfängt …“. Er ist überwältigt: «Eindrucksvoll (und ganz modern) ist, daß ein Mensch sich selber anzufangen hat, daß das Menschsein und Menschenwerden eine Tätigkeit ist, ein Projekt; nichts Gegebenes.» (S. 191)
Im Gegensatz zu den gängigen Regelungen und Vorgaben in unseren Lehrplänen spricht Genazino dem Alten aus dem Herzen, wenn er immer wieder den Zusammenstoß mit einem Material als Grundlage fürs Schreiben anführt (z.B. Eintrittskarte, Satz auf dem Ticket) (S. 152).
Er gibt auch methodische Tipps: «Um zu Ideen zu kommen, müssen wir mit dem Material spielen, über das wir Einfälle erwarten. Indem wir das Material bewegen, lösen wir Ideen aus. Das heißt: wir wissen nicht genau, wonach wir suchen, aber wir müssen trotzdem suchen.» (S. 201)
Am Ende seines Buches schreibt Genazino folgende Mahnung an alle Lehrpersönlichkeiten: «Man muß warten können, bis die Dinge anfangen zu sprechen.» (S. 414)
Wir werden sehen, ob Genazinos Einsichten und Vorschläge in unserem neuen Lehrplan ihren Niederschlag finden werden.
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