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Wislawa Szymborska zum Geburtstag (2.7.1923 – 1.2.2012)

von Taccuino Del Vecchio | 02/07/2025 | Die Notizen des Alten | 0 Kommentare

ZUMA Press, Inc. / Alamy Stock Photo

“All das ist wie ein Alfa Romeo, der nicht vom Fleck kommt, weil man ihm statt Benzin Hafer gegeben hat.”

So urteilt die polnische Nobelpreisträgerin von 1996 Wislawa Szymborska in ihrem 2023 erschienenen Buch ´Sie sollten dringend den Kugelschreiber wechseln – Anregungen für angehende Literaten. Berlin, Suhrkamp. (S. 67)´über ein Elukubrat, welches ein Schriftstellertalent ihr zur Begutachtung geschickt hat.

Solch ein originelles und treffendes Urteil erfreut natürlich einen Alfista wie den Alten!

Doch Wislawa hat noch viel mehr im Köcher, wenn es ums alltägliche Schreiben und das darum unverzichtbare Notizbuch geht:

“Selbst über die Langeweile muss man leidenschaftlich schreiben. (…) Sie sollten ein Tagebuch führen – was wir im Übrigen allen Aspiranten für den Schriftstellerberuf empfehlen. Sie werden bald bemerken, wie viel an einem Tag geschieht, an dem scheinbar nichts geschieht. Sollte sich jedoch herausstellen, dass sie nichts entdecken, was es wert wäre, notiert zu werden, keine Beobachtungen, Eindrücke, Reflexionen, dann gibt es nur eine Schlussfolgerung: Sie sind für den Schriftstellerberuf nicht geeignet. Wir ermuntern Sie, es zu versuchen.” (S. 83)

Beim Schreiben ist sich jeder der Nächste:
“Versuchen Sie, etwas über sich,über Ihr eigenes Leben und Ihre Erfahrungen zu schreiben.” (S. 109)

Als Autorin und Poetin zeigt Wislawa auch Verständnis für unvermeidliche Schreibblockaden. Sie rät:

“Doch von Zeit zu Zeit sollten Sie am Bleistift kauen und verzweifelt aus dem Fenster schauen.” (S. 91)

Tempo rausnehmen, den Schreibprozess entschleunigen, ist Szymborskas nächster Rat:
“(…) sind Sie zweifellos der Emil Zatopek der Dichtung. (…) Wir bitten Sie inständig, drosseln Sie das Tempo und denken Sie wenigstens ein Stündchen nach, über einem leeren Blatt Papier.” (S. 107)

Lehrpersonen sollten sich an diese Ratschläge erinnern, wenn sie sinnvolles Schreiben mit den Kindern organisieren.

Orthographie ist des Poeten täglich Brot, da kennt Wislawa Szymborska kein Pardon:

“Sie sollten dringend den Kugelschreiber wechseln. Der, mit dem sie schreiben, macht jede Menge Fehler. Sicher ein ausländischer.” (S. 139)
“Sollte es in der Orthographie Änderungen zu Ihren Gunsten geben, werden wir Sie auf dem Laufenden halten.“ (S. 139)
“Herzlos war ich allerdings, wenn jemand sich als Lehrer ausgab und nämlich mit ´h´schrieb.” (S. 146)

Da wollen wir doch wohl lieber ein Gedicht von Wislawa Szymborska selbst hören (und sehen):

´A Little Girl Tugs at the Tablecloth`

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