Lev S. Vygotsky zum Todestag (17.11.1896 – 11.6.1934)
Der Alte will noch einmal Lev S. Vygotskys an seinem Todestag gedenken.
Dies mit einigen Ausführungen zum Leitbild der Lehrperson, das Vygotsky wie kein zweiter Lernpsychologe beschrieben und eingefordert hat.
Den Lehrpersonen wird ja oft eine ausgeprägte Theoriefeindlichkeit zugeschrieben. Dabei ist es unumgänglich, klare theoretische Konzeptionen von Lernen und Lehren zur Grundlage einer sinnvollen pädagogischen Praxis zu machen.
Ausschlaggebend für die Gestaltung des praktischen Unterrichts ist die Legitimation durch eine wissenschaftliche Sicht auf Lehren und Lernen, also:
Was ist sinnvolles, menschliches Lernen?
Welche Faktoren definieren sinnvolles, menschliches Lernen?
Ist Lernen ein spezifisch individuelles oder kollektives, kommunikatives und interaktives Phänomen?
Bereits 1926 hat Lev. S Vygotsky dazu folgende Bemerkungen gemacht:
“(…) the teacher (…) has to become the director of the social environment which (…) is the only educational factor.”
(1997, 1926) Educational Psychology. Boca Raton, St. Lucie Press. p. 339
Die Lehrperson trägt also die Verantwortung für die Gestaltung, die Instandhaltung und die Entwicklung des Lernumfeldes. Vygotsky ärgerte sich damals schon über die Verwandlung der Lehrpersönlichkeit (mit eigener Stimme und mit eigenem Willen und Wollen) in eine Lehrmaschine oder in einen Plattenspieler (ohne Einfühlungsvermögen und eigenes Denken).
Was würde er wohl heute sagen, wo allzuoft der Lehrberuf zu einem formatierten Weitergeben von Schnipseln aus programmierten Lernmaterialien verkommt.
Wie aber werden Lehrer zu solchen verantwortlichen Organisatoren sinnvoller Lernumgebungen?
Dies kann nur geschehen auf der Basis der Definition der Lehrpersönlichkeit als “teacher-researcher”:
“(…) the true teacher constructs his own educational work not by inspiration, but on the basis of scientific knowledge. (…) we impose on the teacher that they be a scientifically trained professional, a true teacher rather than a mathematician or a teacher of literature.” Ibid.
Ausbildung, Praktika und Weiterbildung sind als Kontinuum zu entwerfen, wobei Wissen durch den längerfristigen Austausch mit anderen Lehrpersonen und Akteuren des Lernumfeldes entsteht.
Basis dafür ist die multimodale und multimediale Dokumentation der Lernprozesse und Lernprodukte der Lernenden sowie die eigenständigen Beobachtungen und Reflektionen der Lehrenden.
Lehrpersonen identifizieren so Widersprüche, Rätsel und Fragestellungen in ihren Lernfeldern und Arbeitsvorgängen. Daraus entwickeln sie dann neues pädagogisches Wissen.
Lantolf und Poehner fassen Vygotskys Sichtweise so zusammen:
„The ultimate aim of education for Vygotsky is for students to become their own inspiration, and this occurs as they take on increased responsibility for their own learning, guiding their own involvement in the activities of schooling. (…) when the teacher mediates their engagement with the social environment (…) following scientific principles.“ (p. 209)
James P. Lantolf & Matthew E. Poehner (2014) Sociocultural Theory and the Pedagogical Imperative in L2 Education – Vygotskian Praxis and the Research/Practice Divide. New York, Routledge.
Lev S. Vygotsky hat vielfach auf die Verbindung von Emotion und Kognition, auf die enge Verbundenheit zwischen Kreativität, Ästhetik und Lernen hingewiesen, wie sie den Beiträgen der Kinder auf sketchblog.lu zugrunde liegen.
Kreative Bemühungen der ´teacher-researcher´ sind dem ästhetischen Gestalten von Künstlern gleichzustellen.
Vygotsky schreibt:
“The teacher as educator cannot be but an artist.” und weiter:
“(…) education and creativity are always tragic processes, inasmuch as they always arise out of ´discontent´, out of troubles, from discord.” Ibid.
Dann mal frohes Schaffen und Gestalten, wünscht der Alte.
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